Es tut weh. Es tut weh eine Frau zu sein. Krasse Aussage. Deshalb nicht weniger wahr. So erleben das viele von uns. Gerade darf ich das wieder einmal auf einer ganz physischen Ebene erleben. Periodenschmerz. Ich habe solche Unterleibskrämpfe, dass ich weder weiß wie ich stehen, sitzen noch liegen soll. Ich schleppe mich halb kriechend, halb um die eigene Achse gekrümmt durch den Tag und bin zu nichts in der Lage. Selbst Wärmflasche, Tee, Suppe, Decke und Disney helfen nicht. Obwohl ich es versuche zu vermeiden, habe ich heute zur Chemiekeule gegriffen. Es ging nicht mehr. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Die letzte Tablette ist vier Stunden her. Gerade habe ich zur zweiten gegriffen. Der Schmerz hat schneller die Oberhand zurückgewonnen als ich erwartet hatte. So ein Mist. Statt entspannt einzuschlafen, wälze ich mich hin und her, wechsle alle fünf Minuten die Position, um die nächste Krampfwelle besser abpuffern zu können. Klappt so mittelmäßig bis gar nicht. Um mich auf andere Gedanken zu bringen und mich vom Schmerz abzulenken, schreibe ich diesen Text. Mal sehen, ob was Konstruktives bei rumkommt. Wenn doch diese Dreckspille anfangen könnte zu wirken…
joa, manchmal hilft halt fluchen. Ist ok.
"Es tut weh eine Frau zu sein."
Leider erkennen viele Menschen, egal welchen Geschlechts, nicht an, wie schmerzvoll, belastend und energieraubend Menstruation sein kann. Lasst mich mal mutmaßen – nicht-menstruierende Menschen, weil sie es nicht am eigenen Leib erfahren müssen, und eine Vielzahl menstruierender Menschen, weil kein Platz dafür ist. Menstruation gilt als Tabuthema. Menstruation gilt als dreckig. Menstruation, vor allem schmerzende Menstruation, gilt neben dem Geburtsschmerz als die Erbsünde der Frau. Nein, kein Witz. Auch im 21. Jahrhundert. Traurig, ich weiß!
"Menstruation, vor allem schmerzende Menstruation, gilt neben dem Geburtsschmerz als die Erbsünde der Frau."
Neben jahrhundertelanger kirchlicher Konditionierung und dem Leben in einer patriarchalen Gesellschaft, tun die Medien ihr übriges. Vom Bildungssystem ganz zu schweigen. Statt uns darüber aufzuklären, was der weibliche Zyklus ist, welche Wunder und Herausforderungen er birgt und was es zu beachten gilt, wurde dieses Thema bei mir in der 6. Klasse Biologieunterricht in zwei Sätzen abgefrühstückt:
„Erlangt das Mädchen die Geschlechtsreife, meist mit dem 12. Lebensjahr, setzt die Monatsblutung ein. Sie kann zwischen 3 bis 6 Tage andauern.“
Fertig. Setzen 6!
Ich habe nie etwas über Follikelphase, Gelbkörperphase, Progesteron oder Östrogen gehört. Zumindest nicht in der Schule. Du? Und was ist mit den Mädchen, die nicht mit 12, sondern vielleicht schon mit 9 oder erst mit 15 ihre Periode bekommen? Oder deren Periode kürzer oder länger anhält, sie nur alle 6 Wochen auftritt oder mal einen ganzen Monat andauert? Ist mit denen etwas falsch? NEIN, natürlich nicht! Aber gesagt hat uns das niemand. Das ist meist ein Rückschluss, den wir aus mangelnder Offenheit, Aufklärung und Kommunikation selbst ziehen. Dass dieser schädlich bis gefährlich sein kann, muss ich wohl kaum erwähnen. Auch wurde ich nicht darüber aufgeklärt, mit welchen Produkten ich mich davor bewahren kann vor der gesamten Schule zum Gespött zu werden. Helle Hose im roten See - mitunter die absolute Horrorvorstellung der meisten heranwachsenden Mädchen und ebenso sehr vieler erwachsener Frauen. Auch wurde mir die Anwendung der Produkte nicht erklärt. Die Schule half – zumindest zu meiner Zeit – nicht wirklich beim Frauwerden. Und ich rede hier bewusst vom Frau-Werden, nicht von Sexualität. Das ist ein anderes, ähnlich düsteres Thema im Hinblick auf schulische Aufklärungsarbeit.
Kommen wir auf die Medien zurück. Statt uns in unserem Frausein zu bestärken, sind alle Bemühungen darauf ausgerichtet uns so sauber und auslaufsicher wie möglich zu verkorken. Dadurch sollen wir weiterhin voll leistungs- & einsatzfähig gehalten werden, ohne uns und andere mit einem hässlichen, roten Missgeschick zu beschämen. Ist das nicht grandios? Also wäre das allein mit der Verstöpselung unserer "undichten" Öffnung zu bewerkstelligen. Die neuen o.b.® ExtraProtect Normal (oder supersaugstark für die Starkblutenden unter uns…) mit extra Schutzflügeln & Dynamic Fit® Technologie versprechen den „ultimativen Auslaufschutz“ für Tag und Nacht. Nein, kein Scherz. Was sind wir, undichte Tupperware oder doch eher 24h Bottle für jede Gelegenheit? Der Slogan von o.b. lautet: „Weil Komfort, Sicherheit und Diskretion für uns genauso wichtig sind wie für dich.“ Ich bin über das Wort „Diskretion“ gestolpert. Wieso? Warum diskret?
DARF NICHT JEDE*R WISSEN, DASS ICH BLUTE & DASS DAS DER ABSOLUTE KRACHER IST?
Warum immer dieses Versteckspiel? Ich kann mich an so viele Situationen erinnern, in denen ich beschämt, mit zittriger Stimme und leise bis zur Unhörbarkeit andere Frauen fragte, ob sie vielleicht ein Tampon für mich erübrigen könnten. Dieser wurde mir unter Aufbietung aller Diskretion, Geschicklichkeit und so verstohlen wie möglich ausgehändigt, sodass sich jede*r Drogenkurier*in davon hätte ein Scheibchen abschneiden können. Andersrum war das keinen Tacken anders.
Tampons. Ich benutz(T)e sie, seit ich angefangen habe zu bluten. Wieso? Weil es zu der Zeit neben Binden nichts anderes gab, von dem ich wusste, und ich es widerlich fand in meinem eigenen Blut zu sitzen. Deshalb fielen Binden raus. Wie hätte ich auch etwas anderes empfinden können als Ekel und Ablehnung, wenn ich einerseits überhaupt nicht verstehe, was da mit mir passiert und andererseits mir die Gesellschaft suggeriert, dass das etwas ist, wofür ich mich zu schämen hätte und zu verbergen habe. Die Irritation, von heute auf morgen einfach ungebremst komisches, dunkles, klumpiges, ggf. sogar riechendes Blut auszuscheiden, gar nicht mitgezählt. Vielleicht hätte ich mich mit etwas mehr Details weniger davor – de facto vor mir – geekelt. Der Nachteil an Tampons war und ist für mich, dass diese eingeführt werden müssen. Als junges Mädchen ein äußerst beängstigendes und für mich schmerzhaftes Unterfangen. Vor allem, weil ich nicht wirklich wusste, was ich da tat. Geschweige denn wie. Meine Mutter war da leider auch keine große Hilfe.
"Einfach bissal Vaseline drum rum schmieren und reinstecken. So schwer ist das doch nicht."
Ähm doch! Erstens verliert der Tampon durch den Fettmantel der Vaseline vollkommen seine Funktion, nämlich die Saugkraft - auslaufen vorprogrammiert. Zweitens ist reinstecken etwas, das mit 12 Jahren nicht auf der Tagesordnung steht. Auch gehören Entspannung, langsames Herantasten, am besten liegend und definitiv gewaschene Finger zum Einsteiger*innenkurs, den ich leider nicht erhalten habe. So wie viele andere ebenfalls nicht. Irgendwie gings dann doch. Betonung auf irgendwie.
Ach die Medien, der Spiegel unserer Gesellschaft. Sie suggerieren uns neben dem Dasein eines perfekt zugestöpselten Flaschenhalses auch, dass wir während unserer Blutung keine Leistungseinbußen mehr hinnehmen müssen. Durch die korrekte & völlig sichere Versiegelung, egal ob mittels Tampons, Binden, Menstruationstassen, Periodenunterwäsche & Co., sind wir jederzeit voll einsatzbereit. Auch vor Leistungssport, Schwimmbädern oder kalten Eishallen brauchen wir uns nicht mehr zu drücken. Dazu könnt ihr euch bei Interesse gerne mal diesen Werbespot anschauen - https://www.youtube.com/watch?v=lWf-6WcPQ0s
Als hätte ich nichts Besseres zu tun als, eh schon von Krämpfen geplagt & schlapp bis auf die Knochen, in einer unterkühlten Eishalle meine Runden zu drehen. Natürlich könnte ich jetzt sagen, dass es schön ist, heutzutage auf so viele Produkte zurückgreifen zu können, die mir ein sicheres, da auslauffreies Leben ermöglichen. Und bis zu einem gewissen Punkt gehe ich da auch mit. Ich fände es nur deutlich konstruktiver & wesentlich schöner, wenn meine Umwelt sowie die Gesellschaft anerkennen würden, dass die Tage der Menstruation einer Einkehr bedingen und Innensicht entsprechen. Ein Zyklus neigt sich dem Ende, ein neuer beginnt. Wer jemals Frühjahrsputz betrieben hat, kann sich in etwa vorstellen wie energieraubend so ein „Altes raus, Neues kann erblühen“ sein kann. Ich habe mit 12 angefangen zu bluten. Ich musste 32 Jahre alt werden, um anzufangen meinen Zyklus kennenzulernen. Vom Verstehen, Schätzen & Würdigen bin ich noch meilenweit entfernt. Ich stehe noch ganz am Anfang. Was ich weiß ist, dass mich mein bisheriger Umgang mit meiner Periode, der auf mangelndem Wissen und gesellschaftlichen Druck basiert, mich krank gemacht hat. Er trägt mitunter großen Anteil daran meinen Periodenschmerz in einer solchen Heftigkeit spüren zu müssen.
Eine exemplarische Zusammenfassung meines bisherigen Umgangs mit meiner Monatsblutung.
Blutung setzt ein. Shit, Tampon vergessen. Finde eine andere Frau, bei der du dich nicht in Grund und Boden schämst und frage sie so undercover wie möglich nach einem Periodenprodukt. Währenddessen still und heimlich vor mich hinbetend, dass um Himmels Willen es noch nicht zu spät ist und bitte, bitte, bitte noch nichts so durchs Höschen getropft ist, dass es nach außen sichtbar ist. Verdammt, zu spät. Fiebrig Möglichkeiten abwägen, um ja nicht zu lange auf der Toilette Zeit zu schinden. Hmm… plötzlich „erkranken“ und heimgehen, damit ich die Klamotten wechseln kann oder Jacke drum rumbinden? Scheiße, wichtiges Meeting. Jacke muss reichen. Unsicher, zittrig, etwas am Limit – Meeting in dem Zustand? Ach was, geht schon. Zähne zambeißen und durch. WTF? Meeting wurde auf nächste Woche verschoben. Ganz umsonst gequält. Naja, egal. Wird schon für irgendwas gut gewesen sein. Nächster Morgen, komplett gerädert. Augenringe bis zu Arsch, da nachts kaum gepennt. Periodenschmerz hat gegen 2:30 Uhr eingesetzt. Paracetamol hat nicht geholfen. Ok, Ibu 600er sollten doch wohl reichen, oder? Make-Up, Concealer, Rouge – fertig ist das Business-Gesicht. Für vier Stunden halbwegs Ruhe, aber unkonzentriert, müde, schlapp. Irgendwie nicht bei der Sache. Hey, reiß dich zusammen. Mehr Fokus. Was ist denn los mit dir? Schmerz setzt wieder ein, noch schlimmer als vergangene Nacht. Geistesblitz. Flux zur Apotheke laufen, ThermaCare-Wärmepflaster kaufen, auf den Unterleib kleben, Essenspause verkürzen, damit ja nicht auffällt, dass ich kurz weg war. Verdammt, hilft zwar minimal, aber nicht genug. Noch eine Ibu 600 muss her. Ah, Feierabend. Himmel sei Dank. Wärmflasche, Tee, Embryonalstellung unter der Decke vergraben, Fäuste in den Unterleib gedrückt und betend, dass es doch bald vorbei sein möge…………………..……….......................................................................................................
UND DAS JEDEN VERSCHISSENEN MONAT!
Damit bin ich nicht allein. Wir sind angeblich das schwächere Geschlecht. Allein über diese Aussage könnte jahrelang kontrovers diskutiert werden. Ja, sie bietet ungeheuren Zündstoff. Aber viel schlimmer, viele von uns wollen ihr partout nicht entsprechen. Ich war da ganz vorne mit dabei. Ja keine Schwäche zeigen, ihnen nicht beweisen, dass du doch nur eine schwächliche Frau bist… Ich biss also lieber die Zähne zusammen, bevor ich auch nur ansatzweise hätte Gefahr laufen können, dass meine „Frauenleiden“ als Rumjammern, Leistungseinbruch oder als billige Ausrede hätten interpretiert werden können. Und auch damit bin ich nicht allein. Also futtern wir Schmerzmittel wie Gummibärchen, führen die Supersaugerflexi-Dingens-Tampons ein, zurren noch ein Wärmepflaster um den Unterleib zurecht, damit wir stramm und einsatzbereit unseren Dienst an der Gesellschaft verrichten können. Achja, Lächeln über die schmerzverzerrte Miene pinseln nicht vergessen. Was für eine grandiose Scheiße.
"Ja keine Schwäche zeigen, ihnen nicht beweisen, dass du doch nur eine schwächliche Frau bist…"
Natürlich gibt es menstruierende Menschen, die mit weniger, bis gar keinen Schmerzen leben. Wir nehmen lediglich an, dass Periodenschmerz und Unterleibskrämpfe zum leidigen Dasein als menstruierende Person dazugehören, da der Großteil mit Schmerzen zu kämpfen hat. Das klassifiziert es aber noch lange nicht als normal. Im Gegenteil. Es ist nicht normal!
Egal, wie geartet, Schmerz ist immer ein Signal des Körpers für Ungleichgewicht, Dysbalance, Dysfunktion oder Erkrankung auf physischer, psychischer oder seelischer Ebene. Ein Beispiel für die physische Ebene wäre Endometriose. Auch ich darf meinen Schmerz ernst nehmen und nicht mehr als „gegeben“ hinnehmen. Neben einem Checkup, um körperliche Ursachen abzuklären und bestenfalls auszuschließen, liegt mir ganz viel daran meine Psyche und meine Seele zu heilen. Ich möchte mich davon lösen, dass meine Blutung etwas sein soll, für das ich mich schämen, vor dem ich mich ekeln oder für etwas büßen soll, dass wir nie begangen haben. Ich möchte mir nicht mehr einreden lassen, egal von wem, ich hätte mich zusammenzureißen und müsste zu jedem Zeitpunkt meiner Existenz voll leistungs- und einsatzfähig sein. Einsatzfähig… ich bin keine Maschine, noch möchte ich eine sein. Ich möchte nicht latent oder offensiv dazu gezwungen werden, meinen Schmerz, meine Kraftlosigkeit, meine hormonell-bedingte Stimmung oder sonst etwas, was zu mir gehört, zu unterdrücken, wegzulächeln oder zu verstecken. Ich möchte Frausein, mit allem, was dazu gehört – frei, wild und ungezähmt.
"Ich möchte mich davon lösen, dass meine Blutung etwas sein soll, für das ich mich schämen, vor dem ich mich ekeln oder für etwas büßen soll, dass wir nie begangen haben. Ich möchte mir nicht mehr einreden lassen, egal von wem, ich hätte mich zusammenzureißen und müsste zu jedem Zeitpunkt meiner Existenz voll leistungs- und einsatzfähig sein."
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