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Ina

Entwicklungsstufen


Vorwort


Wir sind nicht jeden Tag gleich. Wir sind im Grunde nie gleich. Wir verändern uns ständig. Wir sind lebendige Prozesse. Steter Wandel. Zyklische Wesen. Menschen im Allgemeinen, Frauen im Besonderen. Wir sind Natur. Wir sind die Elemente – Erde, Wasser, Feuer, Luft – im endlosen Raum. Und wir sind pure Schöpfung, reine Seele und bares Bewusstsein. Evolution.


Meiner erlebten Erfahrung nach entwickeln wir uns stufenweise. Wir durchlaufen eine Ebene, bringen es, wenn wir wollen, auf dieser zur Meisterschaft und springen auf die nächsthöhere Ebene, auf der wir als blutige Anfänger*innen neu beginnen. Zwar ein Level weiter und dennoch wieder von vorne. Anders ausgedrückt sterben wir auf der einen Bewusstseinsstufe als Weise*r und werden als Baby auf einer höheren Bewusstseinsstufe wiedergeboren. Der Geburt-Leben-Tod-Zyklus innerhalb eines Menschenlebens, auch (Weiter)Entwicklung bzw. Evolution genannt.


Ich darf gerade die verstörend schöne Erfahrung machen, mich live und in Farbe dabei zu beobachten, wie ich von einer Stufe auf die andere wechsle. Wie ich von der Meisterin auf Level 13, zum Baby auf Level 14 transformiere. Kognitiv zu ‚wissen‘, dass ich mich im Grunde eine Stufe weiterbewege, welche sich zeitgleich wie ein tiefer Fall zurück ins Säuglingsstadium anfühlt, gefolgt von der damit einhergehenden Hilflosigkeit, Ohnmacht, Überforderung und Abhängigkeit, ist ein Paradoxon bisher nie erlebter Art. Es ist schockierend beängstigend, maximal überfordernd, wunderschön und zutiefst faszinierend.


Ich fühle tiefer, intensiver, ausgeprägter. Alles. In sämtliche Richtungen – Angst, Wut, Trauer, Scham, Schmerz… und so vieles mehr. Als hätte ich das Objektiv schärfer gestellt, sehe ich mehr Details, fühle ich mehr Einzelheiten und kann ich mehr erkennen, wahrnehmen, spüren. Und das alles gleichzeitig. Heillose Überforderung. Und maximale Alarmbereitschaft. Mein System reagiert auf die derzeitig bestmögliche Art, um mit diesem Zustrom an Informationen umzugehen – Abriegelung. Marke ‚ich kann nicht damit umgehen, also gehen wir nicht damit um.‘ Ich gehe in einen halbdissoziativen Zustand, wähle eine Strategie, die sich am ehesten mit dem Wort ‚Dämpfung‘ beschreiben lässt und fahre den Informationsstrom maximal nach unten, indem ich mich bestmöglich abschirme, isoliere, taub stelle, zumache. Nicht angenehm.


Aktuell beobachte ich das ‚nur‘, ohne wirklich darauf Einfluss nehmen zu können. Ich habe hier schlicht noch keinen Handlungsspielraum. Und immerhin bin ich an dem Punkt, es überhaupt so klar vernehmlich, spürbar und nachvollziehbar beobachten zu können. Ich kann den Prozess buchstäblich im Momentum erkennen. Das ist schier unbegreiflich, unfassbar, faszinierend und so glasklar umrissen. Du siehst mich staunen. Und zeitgleich wünsche ich mir, dass ich den Punkt bereits erreicht hätte, an dem ich nicht nur beobachten, sondern auch eingreifen und entsprechend handeln kann. Denn ich möchte nicht auf jeden und damit alle künftigen Bewusstseinssprünge mit einer dissoziativen, depressiven Episode reagieren. Da wieder rauszukommen ist mir eindeutig zu anstrengend.


Wie es der Spiralgang des Lebens – so wie ich ihn kennengelernt habe – für sich hat, begegnen mir beinahe automatisch dieselben Themen wie bei nahezu jeder vorangegangen Runde, nur auf tieferer bzw. höherer Ebene. Dass sie gleich an Tag 1) mit voller Macht auf mich einprasseln, ist jedoch neu. Neues Level, neue Herausforderungen. Scheinbar auch neue Geschwindigkeit. Aktuell möchte ich dazu noch keine Wertung abgeben. Ok, möchte ich doch. Find ich scheiße. Ich habe mich noch überhaupt nicht sortiert, erst recht nicht zurechtgefunden, geschweige denn mal tief Luft geholt… und schon geht es Vollgas los. Deutlich zu schnell für meinen Geschmack. Und es ist wie es ist. Scheinbar hält mich das Universum für sehr fähig.


Sobald ich eine neue Ebene betrete, befinde ich mich – evolutionär gesehen - auf dem Entwicklungsstand eines Babys. In diesem Zustand zu wissen, was ich will, was ich brauche, wie ich mich orientiere und wo es mich abzugrenzen gilt, ist beinahe unmöglich.


Geh bitte wirklich von einem Baby aus. Also ich käme nicht auf die Idee ein 2 Monate junges Baby zu fragen, was es denn gerade braucht, um sich sicher zu fühlen, und eine adäquate Antwort zu erwarten. Du etwa? Ebenso wenig, wenn es um das Thema Verantwortung geht. In dieser frühkindlichen Phase sind wir nicht in der Lage Verantwortung für irgendetwas zu übernehmen, geschweige denn für uns selbst. Und sich genau an diesem Ort wiederzufinden, unabhängig davon, ob ich auf dem Papier 34 Jahre alt bin oder nicht, ist irgendwo zwischen grauenhaft, angsteinflößend und verstörend. Denn es ist rational nicht greifbar. Ich verstehe schon, weshalb mein System darauf mit der Einmauerung in eine abschirmend-stützende Festung und das Stationieren und Aufbringen sämtlichen Arsenals aufwartet, das es zu bieten hat. Verständnis bedeutet jedoch noch lange nicht Gutheißung.


Laaanger Vorspann… und er ist nötig, um das Kommende auch nur ansatzweise nachvollziehen und im besten Fall verstehen zu können.


Es kommt in Wellen…


Die erste Welle kam abrupt, plötzlich, ohne Vorwarnung. Vorgestern, an meinem zweiten Blutungstag, bin ich morgens gut gelaunt aufgestanden, mit dem Vorhaben beseelt, dass dieser Tag nur mir gehört – kein Leisten, kein Lernen, kein Rumrödeln, kein nichts. Schieres Sein und maximal das Tun, wonach mir gelüstet und was mir dient. Und mir war nach Berieselung und raus aus dem Kopf. Serie an, Kopf aus. Bis Mittag hat das auch ganz gut geklappt… dann kippte es. Ich erkannte, dass ich aufgrund der anhaltenden Belastungen der letzten Monate und der zunehmenden Intensivierung der letzten Wochen mal wieder in den Kopf geflohen war, ohne es zu merken. Meine Nummer 1 Strategie, die ich fahre, sobald es mir im Außen zu viel wird. Ok, nachvollziehbar und bedauernswert zugleich. Die Reflexionsphase setzte ein sowie die Schlussfolgerung und der Wunsch, den inzwischen sichtbaren Trampelpfad durch den neuronalen Netzwerk-Dschungel zurück in meine Körperin anzutreten.


Die Erkenntnis, dass ich ein altes Muster bedient hatte und die Wahl es nicht weiter bedienen zu wollen, setzte einen Prozess in Gang, den ich nicht habe kommen sehen. Statt mich ‚nur‘ wieder aus meinem Kopf heraus zurück in die Körperin zu wagen, kickte mich meine Öffnung, einen anderen als den gewohnten Weg zu gehen, auf eine neue Ebene.


Bewusstseinssprung


Licht sei Dank bin ich dem Impuls gefolgt und nach draußen in die Natur gegangen, wo ich ausreichend Raum hatte, um dieser Ausdehnung Platz zu machen. Zuvor war ich vor Angst vibrierend in meinem Zimmer herumgetigert, ohne einordnen zu können, was zum Henker gerade los ist und warum bzw. wovor ich gerade Angst habe. Weiser Impuls rauszugehen, denn Raum war bitter nötig. Eine Welle ungeahnten Schmerzes und einer solch tiefen Trauer erfasste mich und riss mich schier von den Füßen. Am Boden kauernd, weinend, schluchzend, schreiend gab ich mich hin und ließ es fließen… bis die Frage kam – ‚Wie konntet Ihr nur?‘


Als die Worte zurückkamen, versiegte auch der Strom an Tränen und ein anderer Teil in mir übernahm. Der Teil, der die Maschinerie in Gang setzte, mich zu dämpfen, um diesen Schmerz nicht mehr fühlen zu müssen. Unabhängig davon, ob ich das im Hier und Jetzt möchte oder nicht. Auch wenn ich kognitiv weiß, dass dieser Teil mich nur (be)schützen möchte und diese Reaktion, die inzwischen einem Automatismus gleicht, lange Zeit mein Überleben gesichert hat, wünsche ich mir von Herzen, dass mein System begreift, dass dieser Mechanismus ausgedient hat und gehen darf. Gleichzeitig darf hier mit Milde und Sanftmut an mich herantreten. Es geht, wenn es an der Zeit ist.


Die zweite Welle überflutete mich gestern in den frühen Morgenstunden. Gegen 4/5 Uhr morgens – prime time für den Geist – bin ich mit weit geöffnetem Geist aufgewacht. Antenne voll empfangsbereit. Ganz ohne mein Zutun. Offen für eine Flut an Erkenntnissen, Einsichten, Bildern, Eindrücken, Erinnerungen, Visionen… Verknüpfungen, Querverbindungen und Gesamtkunstwerken. Ich war in der Lage inmitten von undurchdringlichem Chaos zu sehen. Erneut zu sehen… tiefer zu sehen… weiter zu sehen… mehr zu sehen… als jemals zuvor. Faszinierend und maßlos überfordernd. Es ging alles so schnell. Und gleichzeitig war alles so klar. Klar umrissen. Ein nüchterner LSD-Flash erster Güte.


Willkommen in meinem Popcorn-Gehirn


Eine Erkenntniskette stach klar heraus, weshalb ich ihr gefolgt bin. Und sie hatte mit meiner Partnerschaft zu tun. Ich folgte ihr in den Kaninchenbau, durch zahlreiche Tunnel und etliche Windungen, bis ich schließlich zu der Schlussfolgerung kam – wir dürfen reden. Ich darf meine Wahrheit sprechen und er darf sie vernehmen. Ob und was er daraus macht, liegt nicht in meiner Hand. Statt also dem immensen Fluchtimpuls zu folgen und der Angststarre zu erliegen, bin ich in die Öffnung, Verletzlichkeit und Transparenz gegangen und habe vor meinem Partner blankgezogen. Ganz und gar. Ich habe all das Chaos, all die Verwirrung, all die Orientierungslosigkeit, all die Überforderung, all die Panik, all die Verletzlichkeit und all die Verletzung offen vor ihm ausgebreitet. Die alten und die neuen Verletzungen. Durch andere und durch ihn erfahren. Ich habe ihm alles gesagt und alles gezeigt, was mir zu diesem Zeitpunkt möglich war. Und das war eine Menge.


Licht und Schatten


Er hat mir zugehört, mir Raum geschenkt und ist meinem Wunsch nachgekommen, meinen durch Schluchzer durchzogenen wirren Monolog, in seinen eigenen Worten wiederzugeben, um verprüfen zu können, ob auch nur ansatzweise das bei ihm angekommen ist, was ich ihm habe sagen wollen. Wunder ward geschehen. Scheinbar sind wir in der Zwischenzeit der Sprache der*s jeweils anderen so gewahr und unserer beider Spektren so vertraut, dass die Schnittmenge dessen, was erfasst wird, hoch genug ist, dass sie tatsächlich als gegenseitiges Verständnis gewertet werden kann. Dachte ich zumindest, als ich seinen Worten lauschte.


Ich dachte, er hätte verstanden, dass ich mich gerade an einem instabilen Ort, im Evolutionsstadium eines Babys und in einem Zustand befinde, indem ich derzeit weder weiß, was ich brauche, noch beurteilen kann, was mir guttut und was nicht. Kurz gesagt, an dem ich wenig, bis gar keine Verantwortung tragen, geschweige denn übernehmen und erst recht keine klaren Grenzen ziehen kann.


Dieser Zustand ist nicht von Dauer. Und aktuell ist er dran und sehr präsent, ob wir wollen oder nicht. In meiner Welt bedeutet ein solcher Zustand maximale Achtsamkeit, Rücksichtnahme und Vorsicht. Wenn es umgekehrt wäre, würde ich sehen/verstehen/wahrnehmen/erahnen (oder welches Wort hier auch immer das Passende sein mag), dass vor mir ein Wesen sitzt, das gerade unfassbar geöffnet, dadurch schutzlos und zutiefst verwundbar bzw. verletzlich ist. Unabhängig vom Antlitz der äußeren Hülle. Mir war und ist das klar. Vielleicht ist das auch mein Mutterinstinkt. Wer weiß… Ihm scheint es jedenfalls nicht klar gewesen zu sein.


Die dritte Welle traf mich erneut komplett unvorbereitet. Am Nachmittag war ich mit meiner Freundin im örtlichen Städtchen kurz ein paar Erledigungen tätigen und prompt durfte ich eine altbekannte Erfahrung wiederholen. Öffentliche Erniedrigung durch das Zutun eines Menschen mit Penis. Eine besonders demütigende Form des Catcallings.


Catcalling


Für den Fall, dass Du nicht weißt, was ‚Catcalling‘ ist, hier ein kurzer Exkurs. Wikipedia beschreibt es wie folgt – „Catcalling [ˈkætkɔːlɪŋ] bezeichnet sexuell anzügliches Rufen, Reden, Pfeifen oder sonstige Laute im öffentlichen Raum, wie das Hinterherrufen sowie Nachpfeifen für gewöhnlich durch Männer gegenüber Frauen. Dies stellt eine Form der verbalen sexuellen Belästigung dar.“


Was viele Menschen nicht wissen, unabhängig des Geschlechts, ist, dass es Catcalling auch mit zusätzlichem Negativ-Vorzeichen gibt. Nämlich nicht sexuell anzüglich, sondern sexuell ablehnend. Vereinfacht ausgedrückt teilt meistens ein Mensch mit Penis einem Menschen mit Vulva durch Lautsprache und oder obszöne Gesten mit, dass er diese*n unattraktiv, unansehnlich, widerlich, abstoßend o.Ä. findet. Das mithilfe von beispielsweise Grunzlauten, Rotzen bzw. irgendeinem Laut des Ekels, kombiniert mit Drohgebärden jeglicher Art. Natürlich vollführt er dies ungebeten, uneingeladen, zutiefst übergriffig und maximal bedrohlich. Dass solches Verhalten an Niveaulosigkeit, Frechheit, Dreistigkeit und Unverschämtheit kaum zu überbieten ist, brauche ich an dieser Stelle wohl kaum erwähnen. Geschweige denn die Anmaßung, Herablassung und maßlose Arroganz.


Japp, das ist mir erneut widerfahren. Ein Mensch mit Penis und einschlägigem kulturellen Hintergrund (ich kann die Rassismus-Aufschreie schon hören… FUCK IT) hat sich berechtigt und ermächtigt gefühlt, mir seinen Abscheu über meine Existenz mit einer Drohgebärde ins Gesicht zu rotzen. Setzen 6, Du unterentwickelte, evolutionär zurückgebliebene Hinterlassenschaft eines Sandwurms. Ja, das ist weder politisch korrekt noch gewaltfreie Sprache und nicht lichtzugewandt spirituell. Und gerade kümmert mich das einen Dreck. Kommt selten vor – nenn es Cheat Day.


Ich könnte jetzt lang und breit darauf eingehen, was ein solches Verhalten in mir und wahrscheinlich den meisten Frauen auslöst. Und ich möchte gar nicht so viel Energie in diese Begebenheit fließen lassen. Kurzum – der erste Impuls war und ist den ‚Fehler‘ bei mir zu suchen, mir die Verantwortung zu geben und zu grübeln, ob ich etwas falsch und oder anders hätte machen bzw. sein sollen. Nach wie vor. Beängstigend, beschämend, demütigend und entmachtend. Definitiv noch eine Menge Luft nach oben und mehr als nur Heilungspotenzial.


Verpasste Chance


Um das Erlebte fließen zu lassen, bin ich erneut raus in die Natur. Ich brauchte Luft und Raum… und Worte. Also habe ich auch meinen Partner via Sprachnachrichten teilhaben lassen. Erst im Eifer des Gefechts hoch emotional, dann etwas gesetzter und deutlich verletzlicher. Kurze Zeit später haben wir auch telefoniert. Ich saß inzwischen in der Badewanne, da ich begonnen hatte von innen heraus zu frieren. Meist kein gutes Zeichen und Alarmsignal, dass ich in die Fürsorge gehen darf, damit kein tieferer Schaden entsteht.


Ich habe Halt, Trost, Fürsorge und Beistand gebraucht. Ja, ich habe das nicht kommuniziert. Wie auch, in dem Moment wusste ich das nicht. Evolutionsstadium eines Babys. Stattdessen haben wir meine energetische Signatur analysiert. Da es sich wiederholt, hat es natürlich mit mir zu tun. Und da ich darunter leide und Menschen nicht ändern kann, liegt auch die Veränderung bei mir bzw. in meiner Verantwortung. Ja. Dem ist so. Dem stimme ich auch vollumfänglich zu. Und auch ja dazu, dass im Grunde ich mit diesem Thema begonnen habe…, weil in den Kopf zu gehen meine bewährte, alte und hoffnungslos ungesunde Nummer 1 Strategie in solchen Situationen ist… wie oben eingehend erläutert. Deshalb die berechtigte(n) Frage(n) – war das wirklich der richtige Zeitpunkt für ein solches Gespräch? Und wenn nicht, warum führst Du es dann?


Weitere Fragen zur Hilfestellung


Würdest Du ein solches Gespräch mit einem Baby führen?

Vermutlich nicht.


Und wenn doch, wird das Baby dazu in der Lage sein Dir Einhalt zu gebieten und Dir sagen, dass es das gerade nicht halten, geschweige denn eruieren kann, was es gerade braucht?

Wahrscheinlich nicht.


Ist in einem solchen Moment nicht Deine Reife, Deine Weitsicht und Dein Einblick gefragt, die Situation richtig zu deuten und Verantwortung zu übernehmen, wenn Dein Gegenüber dazu nicht in der Lage ist?

Wohl schon.


Und macht es wirklich Sinn, dann sogar noch einen obendrauf zu packen?

Ganz und gar nicht.


Mir in einem Zustand der absoluten Überforderung durch einen Bewusstseinssprung und einer gerade erlebten öffentlichen Erniedrigung auch noch damit zu kommen, dass die Vermutung im Raum steht, ich würde meine Gabe, all meine Erfahrung, angesammeltes Wissen und meine Souveränität im Umgang mit Wut unter anderem dazu einsetzen, anderen Energie abzuzapfen, ist echt eine Hausnummer. Mir an einem guten Tag vor den Latz zu knallen, ich würde meine Fähigkeiten gegen andere einsetzen, ist eine Sache und kann ich mit viel Wohlwollen als Impuls werten mich noch genauer und konstruktiv kritisch zu hinterfragen, was ich zur gegebenen Zeit auch tun werde. Aber das an dem Tag zu tun, an dem mir das Ausmaß eines Bewusstseinssprungs und der damit einher gehenden (Schutz)Reaktionen bewusstwird und ich, statt in die Isolation, in die Öffnung und Verletzlichkeit gehe und bestmöglich kommuniziere, wo ich mich befinde, wie es mir geht und wie ich mich fühle, und zusätzlich solch eine Erfahrung mit einem fremden, angsteinflößenden Menschen mit Penis mache… da fehlen mir echt die Worte.


Fassungslosigkeit


Ich darf mir gerade alle Mühe geben, mich nicht retraumatiseren zu lassen. Das ist ein Grund, warum ich diesen Text schreibe, um es aus mir herauszubringen, statt in mich hineinzufressen.


Auch diese Erfahrung ist eine Wiederholung. Eine weitere Welle. Eine Welle im Bewusstseinsstrom Ina auf Level 14 – blutige Anfängerin und hoffnungslos überfordert. Willkommen im Spiel des Lebens. Gerade spielen wir das Spiel ‚Erwachsene überfordern, verkennen und missbrauchen Kleinkind durch mangelnde Reife, Weit- und Einsicht‘ zum gefühlt milliardsten Mal. Selbes Spiel, andere Kulisse, wechselnde Protagonist*innen. Ich bin so müde. Müde davon zu jeder Zeit in der Lage sein zu ‚müssen‘ mich abzugrenzen, weil andere scheinbar kein Gefühl für Grenzen, Zeitpunkte und Angemessenheit haben.


Ja, das ist ein altes Thema. Eine Wunde, die weder von meinem Partner verursacht noch geheilt werden kann. Heilung erfahre ich nur durch mich. Das ist mir bewusst. Was ich jedoch von meinem Partner erwarte und fordere, ist mehr. Mehr als meine Familie im Stande war zu geben. Denn mein Partner befindet sich insgesamt auf einer ganz anderen und deutlich weiteren Bewusstseinsstufe als sie, sonst wäre er nicht der Mann an meiner Seite. Und scheinbar nicht weit genug… oder liegt es ggf. an etwas anderem?


Was mich wirklich am meisten verletzt, ist nicht, dass er mir zutraut meine Gabe und Souveränität gegen ihn einzusetzen, sondern die Unfähigkeit oder sogar den Unwillen (an) zu erkennen, dass ich mich an einem Ort befinde, an dem ich für mich nicht entsprechend Verantwortung übernehmen und mich selbstfürsorglich abgrenzen kann. Das nur Stunden nachdem ich ihm alles offengelegt und so verletzlich und transparent wie möglich geschildert hatte, was mit mir los ist. Und sogar noch darauf bestanden hatte, dass er mir wiedergibt, ob und was davon bei ihm angekommen ist. Die Zusammenfassung klang gut. So, als hätte er wirklich verstanden, wo ich mich befinde… Und dann sowas. Ich versteh es schlichtweg nicht. Das will nicht in meinen Kopf gehen.


Was ist nur los mit Euch Männern?


Habt Ihr wirklich so wenig Fürsorglichkeit in Eurem Blut?


Habt Ihr wirklich so wenig Taktgefühl und Einfühlungsvermögen?

Habt Ihr wirklich kein Gefühl für den richtigen bzw. den falschen Zeitpunkt?


Versteht Ihr wirklich nicht, wann was dran ist und wann nicht?


Wisst Ihr wirklich nicht, ob, wann, wo, wie manN sich zurückhält und ob, wann, wo, wie Euer Einsatz gefragt ist?


Wo zum Henker nochmal sind Eure Vater-Qualitäten?


Warum seht Ihr es nicht in Eurer Verantwortung diese wiederzufinden und zu kultivieren?

Es braucht sensible, fürsorgliche, kümmernde Väter auf dieser Welt, nicht nur Mütter.


Oder wollt Ihr Euch schlichtweg weigern Verantwortung zu übernehmen, weil es Euch einfach zu schwer, zu hart, zu anstrengend, zu kräftezehrend, zu viel ist?


Und habt Ihr Euch jemals gefragt, ob wir, die Frauen dieser Welt, Lust, Kraft, Raum, Willen, Ausdauer, Belastbarkeit und so vieles mehr haben, um ständig Verantwortung gefühlt für alles und jeden zu übernehmen, nicht nur für uns selbst?


Wacht endlich auf!

Alternativ zum männlichen Scheitern im Sinne der Fürsorge steht natürlich noch die Möglichkeit der Projektion im Raum. Wendet er das, was er zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt mir entgegengebracht hat, selbst an? Ist folglich diese These lediglich eine Projektion dessen, was er selbst veranstaltet? In Anbetracht der Umstände durchaus möglich und beinahe plausibel. Ein Moment absoluter Verletzlichkeit und Instabilität meinerseits, den ich offen kommuniziert habe, und wenige Stunden später ein unangemessenes Gespräch mit dem subtilen Zurschaustellen einer möglichen Charakterschwäche meinerseits, die ich mir doch bitte zur gegebenen Zeit … mal zu Gemüte führen sollte. Wer erhebt sich hier über wen? Interessanter Zeitpunkt. Findest Du nicht auch?


Ich werde dieses Rätsel hier, jetzt und heute nicht lösen, erst recht nicht allein und ohne ihn. Und wir dürfen nochmal ganz genau hinschauen, was hier passiert ist und wie wir damit umgehen wollen. So oder so ist es ziemlich harter Tobak, der erst mal verdaut werden darf.




PS. Ich habe gewählt mich nicht retraumatisieren zu lassen und werde zu gegebener Zeit wieder in die Öffnung gehen, während ich mir heute eine Auszeit von all dem Scheiß schenke und ihn lieber in diese Worte kleide, statt ihn in einer erneuten konfrontativen Auseinandersetzung zu beackern. Raum für Licht und Liebe darf erst wieder kreiert werden. Das braucht Zeit.

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