Die Angst ist heute sehr präsent. Sie zeigt sich an unterschiedlichsten Stellen, auf mehreren Ebenen und zu diversen Themen gleichzeitig. Das fühlt sich nicht angenehm an und gleichzeitig fühle ich innere Gewissheit wie wichtig dieser Prozess gerade ist. Ich möchte die Angst da sein lassen, sie fühlen, sie fragen, was sie mir zeigen möchte und wo ich noch wachsen darf. Für mich sind das gleich etliche Gründe der Angst entsprechend Raum zu geben und mich ihr voll und ganz zu widmen. Vielleicht fassen wir irgendwann genug Vertrauen zueinander, uns als Freundinnen zu begreifen, statt uns mit Misstrauen und Verachtung oder überhaupt nicht zu begegnen, weil Vermeidung.
Der Yogi-Tee-Spruch von heute Morgen stellte mir die dazu passende Frage.
"Die Frage sollte sein - Bist Du glücklich oder nicht?"
Die ehrliche Antwort lautet Nein! Nein, ich fühle mich gerade nicht glücklich. Ich fühle mich überfordert, überrannt, ausgelaugt und als hätte ich keinen Raum, um mich vollends zu spüren. Es ist mir zu viel. Es passieren gerade so viele Dinge gleichzeitig, im Innen wie im Außen, dass ich schier nicht nachkomme. Ich habe wie keine Zeit und keinen Raum alles, was gerade auf mich einprasselt, durchzufühlen, zu verarbeiten und zu integrieren. Und das lässt mich mich überfordert fühlen. Denn ich kann die schiere Menge und Last der Themen in der Pipeline wahrnehmen. Und dieser Umstand löst Angst in mir aus und ruft mein Ego aufs Tablett, das mir suggerieren möchte in Lebensgefahr zu schweben. Prima...
Das ist der "Nachteil" oder der Preis für Wachstum, für näher an mir und meiner Essenz sein. Ich bin nicht mehr der Panzer von früher, der sich nicht spürt, zehn Kilometer neben sich steht und lediglich funktioniert. Ich laufe nicht länger nur unter dem Schutt und der Asche gesellschaftlicher Dogmen vergraben durch die Welt. Inzwischen verkörpere ich das lebendige, atmende, fühlende, natürliche Wesen, das ich schon immer war. Das ist wunderschön und zeitgleich so beängstigend, da mich kaum noch Schutzpanzer und Mauern umgeben. Und das bedeutet, spürbare (und nicht mehr nur latente) Angst ist meine ständige Begleiterin.
Angst nicht gesehen zu werden
Angst missverstanden zu werden
Angst nicht genug zu sein
Angst austauschbar zu sein
Angst ersetzt zu werden
Angst verletzt zu werden
Angst ausgeschlossen zu werden
...
Todesangst
Aktuell empfinde ich vor allem Angst, weil ich mich ausgeliefert fühle. Ich weiß nicht, was mein Gegenüber wirklich denkt, fühlt, empfindet und erst recht nicht, wie er/sie/es handeln wird. Das erfahre ich buchstäblich erst, wenn es soweit ist. Und was die (Nicht)Handlung mit mir machen wird, erfahre ich dementsprechend auch erst dann. Keinerlei Kontrolle zu haben macht mir Angst. Ich fühle zum ersten Mal die wahre Bedeutung von Leben, nämlich nichts unter Kontrolle zu haben. Und das ist erschreckend. So lange habe ich mich der Illusion hingegeben irgendetwas steuern zu können. Und diese Illusion löst sich gerade in ihre Bestandteile auf. Wunderschöner Prozess, weil ich beginne klarer zu begreifen, wahrzunehmen und gleichzeitig so furchteinflößend. Wiedermal schrecklich schön.
Um das Ganze mal etwas greifbarer zu machen, picke ich hier mal eines der Themen heraus, das unglaublichen Einfluss auf mich hat. Denn es geht um nicht weniger als mein Herz. Es gibt einen Mann in meinem Leben, den ich in einer Tiefe liebe wie es mir bisher nicht möglich war. Diese Tiefe und Intensität, da noch so neu und fremd, reichen bereits vollkommen aus, um mein Nervensystem zum Vibrieren zu bringen. Hinzu kommt, dass wir uns aktuell an unterschiedlichen Orten auf unserem Weg befinden, die sich nicht decken. Das ist weder schlimm noch unnatürlich, bringt jedoch gewisse Herausforderungen bis hin zu Risiken mit sich. Wir haben uns dazu entschieden, geografisch und auch partnerschaftlich getrennte Wege zu gehen, ohne die wunderbare Verbindung zwischen uns zu kappen. Wir möchten jeweils unsere Erfahrungen machen, einen Teil unseres Weges getrennt voneinander, primär für uns selbst beschreiten und an einem Punkt wieder aufeinander treffen und fühlen, ob und was sich verändert hat bzw. ob und wie wir wieder in eine partnerschaftliche Verbindung treten wollen. Oder eben auch nicht. Genug Zündstoff für künftige Treffen vorprogrammiert.
Wir sind tatsächlich in die Trennung gegangen, was eine gute, wichtige und richtige Entscheidung war - für uns beide. Das ist jetzt gut zwei Monate her und seitdem ist eine Menge passiert, worauf ich an dieser Stelle nicht eingehen möchte. Und ja, sooo viel! Vor rund vier Wochen hat sich uns die Möglichkeit geboten ggf. wieder aufeinander zu treffen, um auszuloten, wo wir stehen. Dass das intensiv werden könnte, was uns irgendwie klar... und Spoiler - wir haben es unterschätzt. Seit ca. 3,5 Wochen befinden wir uns wieder in unmittelbarer Nähe und seither sind Thema um Thema, Prozess um Prozess und Gefühl um Gefühl auf uns eingeprasselt. Dies aus unterschiedlichsten Richtungen, da sich in unseren Leben gerade mehr tut als nur in der Verbindung zueinander. Und ich fühle richtig, wie meine Kapazitätsgrenze erreicht und - ehrlicherweise - bereits überschritten ist.
In dem Zustand der eh schon andauernden Überforderung auf beiden Seiten, kam vor drei Tagen noch ein Thema zwischen uns auf, das mich seither nicht mehr loslässt. Loslassen ist wohl das falsche Wort, quälen trifft es eher. Der Umgang mit Sexualität und Intimität in Bezug auf andere Menschen außerhalb unserer Verbindung. Dieses Thema ist nicht neu. Keineswegs. Der Unterschied besteht in Tiefe und Intensität. Denn einerseits bin ich so offen und habe ihn so nah an mich heran gelassen wie noch nie, also auch innerhalb unserer Verbindung, was die Sache noch heikler macht. Und andererseits ruht er noch nicht klar und stabil genug in sich, um der ganzen Thematik so beherrscht und achtsam wie möglich zu begegnen. Verletzung vorprogrammiert, was auch bereits geschehen ist. Nicht nur in der Vergangenheit, sondern brandaktuell gleich wieder. Und um die ganze Suppe noch heißer zu kochen, betrifft die aktuelle Situation auch noch meinen nahestehenden Freundinnenkreis. Juheiiiii...
Versteh mich hier bitte richtig. Ich befürchte nicht, dass er bei der erstbesten Gelegenheit mit einer meiner Freundinnen ins Bett steigt. Noch befürchte ich, dass er mich von heute auf morgen durch sie oder eine andere Frau ersetzt. Was mir Angst macht ist, dass Verletzung entsteht, die hätte vermieden werden können, wenn er bewusster mit der gesamten Situation umgegangen wäre. Mir graut vor Wachstum, der auf meine Kosten geht. Mir graut vor Wachstum, der durch Reibung und somit durch Schmerz entsteh - unnötigem Schmerz, weil er auf oder ggf. sogar hinter meinem Rücken ausgetragen wird. Ich habe Angst, dass er unachtsam, unbewusst und verantwortungslos handelt und ich das emotional ausbaden darf. Dafür bin ich weder zu haben noch verantwortlich.
Natürlich ist mir bewusst, dass auch das meine Wahl ist, es ausbaden zu müssen/dürfen oder nicht. Es obliegt mir jederzeit mich dem zu entziehen und die Wahl zu treffen, dass mir das alles zu viel, zu anstrengend und zu schmerzhaft ist. Möchte ich jedoch weiterhin in der Verbindung mit ihm und in meiner Öffnung bleiben, darf ich mit dem Risiko leben. Und genau das macht mir unglaubliche Angst, da nicht in meiner Hand.
Also sitze ich hier, lasse die Angst da sein, auf mich wirken und zu mir sprechen. Ein Teil fragt mich, warum ich mir das antue? Weil ich lernen und meinem Nervensystem beibringen möchte, dass Angst eine wunderbare Sache ist, um mich auf irgendetwas aufmerksam zu machen, das mir höchstwahrscheinlich wichtig ist, sonst würde ich gleichgültig oder gar nicht reagieren. Und gleichzeitig möchte ich meinem System zeigen, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht bei jedem Angstimpuls die physische Auslöschung droht. Denn der Tod ist ein wundervoller Lehrmeister wie ich finde. Er rückt mir jedes Mal den Kopf zurecht und zeigt mir, worauf es mir wirklich ankommt. So auch dieses Mal.
Ich empfinde Angst, weil es um Themen geht, die mir wirklich wichtig sind, die mir immens viel bedeuten, in denen ganz viel von mir steckt, die mein Herz berühren und meinen Seelenweg betreffen. Für mich essentielle Themen, somit auch essentielle Ängste. Und Angst ist das Gegenstück zu Liebe. Sie zeigt mir gerade wie viel Liebe ich für diese Menschen empfinde, die mit besagten Themen in Zusammenhang stehen. und das ist eine wundervolle Erkenntnis. Danke Angst, dass Du mich das hast sehen lassen.
AHÉ
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