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  • Ina

Mutterland

2021 habe ich mein ‚sicheres‘ Leben zurückgelassen und mich in die Welt hinausgewagt. Seither lebe ich ein eher ‚unsicheres‘, dafür sehr freies Leben. Das ist deutlich herausfordernder und zeitgleich so viel schöner. Zumindest für mich. Und auch hier durfte ich die Erfahrung machen, dass ich ein zyklisches Wesen bin und das Leben unterschiedliche Phasen durchläuft. Gerade befinde ich mich in einer Phase der gewollten Beständigkeit. Wenn auch die jetzige Beständigkeit eine ganz andere ist als jene von vergangenen Tagen. Seit Anfang Dezember 2023 habe ich wieder einen festen Wohnsitz. Und zwar in Deutschland. Zurück in meinem Mutterland und zurück in meinem Vaterland. Dass das nicht vollkommen reibungslos vonstattengehen würde, war mir bewusst.


Jetzt stehe ich an einem Punkt, an dem ich mein Mutterland, die Natur, Flora und Fauna dieses wunderschönen Flecken Erdes unglaublich zu schätzen weiß und es ehren möchte. Hier fühle ich mich wohl, heimisch, umsorgt und aufgefangen. Diese Umgebung entspricht mir, nährt mich, baut mich auf und gibt mir Kraft. Ich fühle süddeutsche (Berg)Wälder, Seen und Flüsse, Bächlein und Rinnsale, Berge und Täler, Bäume und Wiesen, Kuhweiden und Ackerland. Der Duft feuchten Mooses, das Rascheln der Buchen und der weißliche Nebeldunst inmitten grüner Mystik. Und es zerreißt mir das Herz, dass das Vaterland Deutschland mir so überhaupt nicht entspricht.


Der monströse Bürokratieapparat, die komplizierten Vorschriften, die angstgetriebene Überregulierung sowie die Beamtensprache, die nicht einmal mehr von den eigenen Leuten verstanden wird, nehmen mir schier die Luft zum Atmen wie ein zu eng geschnürtes Korsett. Ich empfinde keinerlei Freude daran mich durch einen Wust unverständlicher Vorschriften, Dokumente, Anträge und Formulare zu wühlen, nur um zu… ja was überhaupt? Um existieren zu dürfen? Was ist nur los mit Deutschland? Wir sind so fern von jeglicher Natürlichkeit, dass es mir Angst macht. Nirgendwo sonst auf diesem wunderbaren Planeten ist mir bisher eine derartige Abwendung von der Natur begegnet wie hier. Und ich meine das vielmehr auf spiritueller als auf irdischer Ebene. Die Deutschen scheinen Maschinen sein zu wollen – so effektiv, so effizient, so erfolgsorientiert, so zielfokussiert, so funktionierend wie möglich, ohne sich je fundiert mit dem auseinanderzusetzen, was war und noch ist. Maximale Verdrängung meets maximale Ertragssteigerung und Einflussnahme ins Weltgeschehen. Das kann nur in die Hose gehen.


Ich finde vieles von dem, was in meinem Heimatland läuft und wie es sich selbst darstellt, nicht gut. Noch entspricht es mir. Und gleichzeitig ist es mein Heimatland. Meine Seele hatte einen guten Grund, warum sie gewählt hat als Frau im 21. Jahrhundert in Deutschland geboren zu werden. Nur weil sich dieser mir (noch) nicht vollumfänglich erschließt, bedeutet das nicht, dass er nicht durchweg sinnhaftig und plausibel ist. Ich vertraue meiner Seele und ich vertraue dem Leben. Es gibt Gründe, weshalb ich wieder hier bin. Das auch noch in meinem Geburtsbundesland, wenn auch im Norden davon. Hallo Bayern.


Ich merke, ich brauche mehr Zeit. Mehr Zeit in und mit meinem Mutterland. Zeit, die ich mir schenken möchte. Das wird mir gerade erst bewusst. Denn ‚eigentlich‘ hatten mein Partner und ich erst vor kurzem anders gewählt. Die Wahl fiel auf Vanlife, reisend durch Europa und um die Welt. Start noch dieses Jahr. Vielleicht ist das auch weiterhin der Kurs, jedoch mehr mittel- als kurzfristig. Ich spüre, dass ich hier noch nicht fertig bin. Ich möchte mein Mutterland noch mehr kennenlernen, bereisen, entdecken, erleben, riechen, schmecken und erfahren. Die weitestgehend unberührte und freie Version davon. Ich will Deutschlands Natur, die schönsten Ecken und entlegensten Winkel erleben und ihr wirklich eine Chance geben. Denn hier gibt es noch etwas für mich, was auch immer das sein mag. Und wenn ich dafür mein Vaterland ‚in Kauf‘ nehmen ‚muss‘, dann ist dem so. Das ist der Preis, den ich zahle.


Jetzt darf ich das meinem Partner mitteilen, der – so seine Aussage – Deutschland überhaupt nicht fühlt. Ich habe aktuell nicht den Hauch einer Ahnung, ob und wie wir diese unterschiedlichen Bedürfnisse vereinbaren können, ohne dass der/die jeweils andere das Gefühl hat, zurückstecken und einen Kompromiss leben zu müssen. Denn das will ich nicht. Weder für ihn noch für mich. Auch weiß ich nicht, wie lange ich hierbleiben möchte, um meine Erfahrungen mit Deutschlands Mutter Natur zu machen. Das WIE erschließt sich mir gerade überhaupt nicht. Und Licht sei Dank muss es das auch nicht. Das WAS ist gerade entscheidend. Und das WAS lautet – Ich möchte aktuell noch in Deutschland, genauer in Süddeutschland, in Bayern bleiben. Was das mit unserer Partnerschaft macht, weiß ich aktuell nicht. Das wird sich zeigen.


Es bleibt definitiv spannend...!

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